#SMGBE64: Erfolgreiches Campaigning auf Social Media – zwei Einblicke
Nicht nur Unternehmen, sondern auch NGOs, Verbände, Institutionen führen tagein, tagaus Kampagnen, um ihre Produkte, Themen oder Ideen an die Zielgruppen zu bringen. Doch wo sind diese unterwegs? Wo erzielt man die beste Conversion Rate? Auf welchen Plattformen lohnt es sich, in einer Kampagne zu setzen? Erkenntnisse aus zwei spannenden Cases vom 64. Social Media Gipfel, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Erziehende Eltern oder erziehungsbetroffene Kinder?
Die Stiftung Elternsein unter dem Präsidium von Ellen Ringier hat sich in den letzten Jahren zu einer der reichweitenstärksten Organisationen der Deutschschweiz im Themenbereich Elternschaft gemausert. Sie vertreibt das Eltern-Magazin ‘Fritz & Fränzi’ (225 000 LeserInnen, MACH Basic 2022-1) und ist auf YouTube, Facebook, Instagram, Pinterest und Twitter aktiv. «Social Media und Newsportale spielen die Hauptrolle in unserer Strategie. Wir wollen aus neuen Zielgruppen regelmässige Lesende machen. Unsere Herausforderung ist es, für ernsthafte Themen Aufmerksamkeit zu generieren in der Infoflut: lustvoll, nicht anbiedernd, informativ, ohne Lächerlichkeit», so Thomas Schlickenrieder, Geschäftsführer der Stiftung.
Hauptziel ist es, auch über Social Media primär neue Print-Abonnenten zu generieren – d.h. Eltern. Das Potenzial ist gross. Die Stiftung hat in einem ersten Schritt einen umfangreichen Analyse- und Konzeptionsprozess durchgeführt: Zahlen: Mach-Studie, Marktforschungsanalyse, Zielgruppen-Analyse, Fokusgruppen-Tests mit Content. Daraus wurde eine Kampagne geformt. Mit Videos Zielgruppen an Themen heranführen und sie zu Abonnent*innen ‚convergen‘. User folgen einer mehrstufigen Customer Journey vom Klick auf einen Post (‘5 Tipps zum gelungenen Familienausflug’) bis zur Registrierung für ein Probeabo. Die finale Conversion Rate beeindruckt: die Hälfte der Facebook-User*innen, die ein Probeabo bestellt hat, löst ein Jahresabo.
Für Schlickenrieder ist klar: «Für unsere Zielgruppe (primär junge Mütter) ist Facebook Trumpf. Twitter, Instagram usw. halten (noch) nicht mit». Obwohl es nicht direkt dem Magazin-Geschäft zudient, will Elternsein aber künftig stärker Kinder und Jugendliche ansprechen – das heisst: andere Plattformen. 130’000 Kinder, die in der Schweiz von ihren Eltern gezüchtigt werden: eine schreckliche Bilanz und ein relevantes Thema für Sensibilisierung und Debatte. Mit einer erfolgreichen Kampagne mit TikTok-Stars zu Kindesmisshandlung hat Elternsein am ‘No Hitting Day’ den Grundstein gelegt.
‘Nur Ja heisst Ja’: Junge Männer im Visier von Amnesty
Einen Kontrast stellt der Case von Amnesty Schweiz dar. Lucia Plaen, Digital Media Manager Amnesty Schweiz, skizziert den Fahrplan der Kampagne ‘Nur Ja heisst Ja’: «Wir sind Anfang Mai mit der Kampagne gestartet, nächste Woche ist der Abstimmungstermin zur Revision des Sexualstrafrechts im Ständerat. Wie es weitergeht ist offen, je nach Ausgang der Debatte». Die Kampagne zielt auf die Sensibilisierung von Männern, was konsensualer Sex bedeutet, aber vor allem auch auf eine Gesetzesänderung.
Mit einer Online-Petition soll der Druck von der Öffentlichkeit ins Stöckli getragen werden. Konsens soll als Praxis zur Verhinderung sexualisierter Gewalt gesetzlich festgelegt werden. Amnesty fokussiert seine Kampagne auf junge Männer, die bereits etwas sensibilisiert sind, «im Gegensatz zu den Baby-Boomer». Dazu führt eine realistische Aufwand-Nutzen-Rechnung sowie die Strategie, dass junge Männer sich öffentlich positionieren und auf die (mehrheitlich) älteren Männer im Ständerat einwirken sollen.
Die Kampagne läuft multichannel integriert: Direktlobbying im Parlament, Live-Aktionen, Medienarbeit usw. sowie bezahle Distribution auf Social Media und mit Google Ads sind aufeinander abgestimmt. Im Zentrum stehen gefilmte und editierte Talkshows mit und unter jungen Influencern (Spoiler: die Romands sind humorvoller). Sie bilden den Hauptcontent für die Sensibilisierung und sind in voller Länge auf YouTube. Snippets werden auf den anderen Plattformen ausgespielt. Bis zu 30 Partnerorganisationen, neben vielen Aktivist*innen und den Talkshow-Teilnehmenden (z.B. Thomas Wiesel, Romand-Komiker mit 130’000 Instagram-Followern) vergrössern den Reach.
Unser Fazit:
- Strategy Eats Design for Breakfast – Nur schonungslose Ehrlichkeit bei der Zielgruppenanalyse zeigt auf, wo die Kampagne auf Social Media maximalen Erfolg erzielen kann. Wenn du Kinder und Jugendliche ansprechen willst, sei auch auf TikTok, sonst lass es sein. Eine erfolgreiche Kampagne filtert die Zielgruppen stufenweise mit (beworbenen) Beiträgen, um die Conversion Rate zu optimieren. Die Strategie ist Trumpf, das Design ist sekundär.
- Agilität macht es spannend – Adaptive Kampagnen-Strategien garantieren eine schnelle Reaktionsmöglichkeit auf Aktualitäten, wie politische Entscheide oder News. Nutze die Dynamik, um die Relevanz deiner Botschaften und deren Wahrnehmung zu vergrössern.
- Community, Community, Community – Fast alle Organisationen leiden unter (sehr) begrenzten Ressourcen. Das Umfeld einzubinden, ist daher Pflicht. Schützenhilfe gibt’s earned und paid. Mobilisiere Partnerorganisationen, maximiere damit deinen Reach (bei Algorithmen und Stakeholder) und teile den Erfolg. Mobilisiere Aktivist*innen (von mikro bis makro), denn sie machen eine Kampagne auf Social Media auch ’social‘. Der koordinative Aufwand wird sich lohnen!
Herzlichen Dank an die Berner Public Relations Gesellschaft BPRG für das wiederholte Sponsoring und an das Restaurant Vierte Wand für Kafi, Gipfeli & Gastfreundschaft.